Georg Wolf

06. April 2015

mit dem angehängten Artikel aus "Sauerlach aktuell" vom Jahre 2008 möchte ich daran erinnern wie unser Verstorbener, der Wolf Schorsch, das vorige Jahrhundert gemeistert hat.

12.3.2015, Heini Wiesner

Georg Wolf

Der Schorsch, ein altbewährtes Mitglied unseres SPD Ortsvereins Sauerlach, marschiert stramm auf den 80er zu. Man sieht es ihm nicht an, aber jammern tut er schon ein bisserl, „weil halt alles nicht mehr so ist wie frühers“, besonders gesundheitlich. Aber gesundheitlich war er ja immer schon etwas angeschlagen. Drum haben sie ihn im Dritten Reich schon beim Militär nicht brauchen können und haben ihn, den in Ausbildung befindlichen Werkzeugmacher, in die Rüstungsindustrie gesteckt. Er war sozusagen „UK“, das heisst unabkömmlich.

Er, ein gebürtiger Lochhofener, wuchs die ersten drei Jahre bei Pflegeeltern auf, weil sich seine leiblichen Eltern einen eigenen Hausstand und das Heiraten noch nicht leisten konnten. Als dann sein Vater in Lanzenhaar ein kleines Baugrundstück erwarb, war die Familie beisammen. Die ersten zwei Jahre aber hausten sie noch notdürftig in einem ausrangierten Eisenbahnwaggon, bis das kleine Wohnhaus fertiggestellt war. Der Wald westlich gegenüber reichte seinerzeit noch bis an die Münchner Straße heran, die damals auch hier noch Tegernseer Landstraße hieß. Im Zuge einer Nazi-Propagandaaktion, „Aus Waldboden wird Ackerland“, wurde der Wald 1934 gerodet und ein neuer Bauernhof angesiedelt. Heute befindet sich dort die Trabertrainingsbahn.

Georg Wolf Klassenfoto
Die Schule besuchte der Schorsch in Sauerlach, obwohl Lanzenhaar damals zur Gemeinde Brunnthal gehörte. Aber da hin wäre der Schulweg 4½ statt 3 km lang gewesen, und seinerzeit musste man alles zu Fuß gehen. So hat er nicht nur seine Freunde in Sauerlach gefunden, auch der ganze Lebensbezug war auf Sauerlach ausgerichtet. So war es kein Wunder, dass die Lanzenhaarer später bei einer Abstimmung für Sauerlach als gemeindezugehörig votierten. Ein Blick auf ein Klassenfoto aus Mitte der 30ger Jahre macht den Schorsch etwas nachdenklich. So mancher ist im Krieg geblieben. Der Narr Fritz ist mit seiner Familie nach Amerika emigriert, weil sein Vater SPDler war. Der Sauerlacher NSDAP-Ortsgruppenleiter Stimmelmeier, der auch Hauptlehrer war, hat der Familie Narr so zugesetzt, dass sie keine andere Möglichkeit mehr gesehen hatte. Nach dem Krieg sind die Narrs wieder zurückgekehrt.

„Ja“, sagt der Schorsch, „mit dem Hitler ist es schon aufwärts gegangen. Bei sieben Millionen Arbeitslosen hat man mit dem Autobahnbau und mit dem Arbeitsdienst für Beschäftigung gesorgt. Auch ich bin ein begeisterter Hitlerjunge gewesen und kann mich noch gut erinnern, wie wir nach der Autobahneinweihung dagestanden sind und den vorbeifahrenden Hitler-Konvoi mit erhobener Hand gegrüßt haben. Dass aber das Deutsche Reich total pleite war und der Hitler direkt auf einen Krieg hingearbeitet hat, damit wir uns durch Kriegseroberungen sanieren, das hat damals von den kleinen Leuten niemand wissen können.“

Die Lehre absolvierte der Schorsch in Solln. Den Anmarsch dorthin musste er zu Fuß und mit dem Zug bewerkstelligen. Noch heute zeigt er stolz sein Arbeitsbuch, in dem alles fein säuberlich aufgezeichnet ist. Auf dem Weg zur Arbeit musste er an einem Lager vorbei, in dem russische Familien interniert waren. Die dürftigen Lebensverhältnisse der Frauen und Kinder in dem ärmlichen Barackenlager sind ihm noch heute in schlimmer Erinnerung.

Sieben Kinder waren die Wolfs. Trotzdem wurde der Vater zum Kriegsdienst eingezogen, weil er als Nazi-Gegner bekannt war. Den Krieg hat der Vater zwar überlebt, heimgekommen ist er aber nicht mehr; in der Gefangenschaft ist er gestorben.

Wie der Schorsch nach dem Krieg nach München gekommen ist, gab es zwischen den Ruinen und Schutthaufen der Stadt, zwischen Giesing und Moosach nur eine einzige Verkehrsampel und zwar am Leonrodplatz, die die Amerikaner mittig aufgehängt hatten. Seinen Metallberuf konnte der Schorsch aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. So ging er 1949 zu den Stadtwerken nach München, wo er in der Generatorenanlage im Moosacher Gaswerk als Schichtdienstarbeiter anfing und sich letztlich bis zum Angestellten in der Geschäftsstelle EW hochgearbeitet hat.

Deutschlands Kriegsschicksal hat dem Schorsch aber auch sein Lebensglück gebracht. So hat er 1955 in München die aus Böhmen stammende, heimatvertriebene Maria kennengelernt, die er zwei Jahre später geheiratet und nach Lanzenhaar geholt hat. Seitdem fühlt sich seine Maria als Oberbayerin. Ihr Sohn Georg hat sie mittlerweile zu zweifachen Großeltern gemacht.

Aufgrund seiner Lebenserfahrungen ging der Schorsch 1971 aus Überzeugung zur SPD, damals noch zum Ortsverein Brunnthal. Dort machte er den Kassier. Er musste die meisten Mitglieder einzeln und persönlich abkassieren, weil es bei deren Arbeitgebern nicht publik werden durfte, dass sie bei der SPD sind.

Nach 40jährigem Dienst bei den Stadtwerken ist der Schorsch nun schon seit 1989 im Ruhestand. Als Ruheständler macht er sich so seine Gedanken über die Zukunft der SPD, speziell aber auch über unseren Ortsverein Sauerlach: „Die jungen Leute sind zu unbekümmert. Sie wissen nicht, wie wichtig sozialdemokratische Politik für unsere Gemeindepolitik aber auch insgesamt für unsere Demokratie ist und sie wissen nicht, dass es für unsereinen sonst nichts gibt.“

Georg Wolf Sterbebild

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